18. Karaoke, yeah yeah yeah!

Als ich einen der vielen riesigen und auch kleinen Schriftzüge in Tokio mit dem magischen Hinweis „Karaoke-Bar“ lese, ist es um mich geschehen. Noch im selben Moment fasse ich den Entschluss, solch eine Bar aufzusuchen. Da ist nur ein Problem, ich möchte nun wirklich nicht allein gehen, mein Mann interessiert es recht wenig vor Publikum zu stehen und obendrein singen zu müssen noch viel weniger. Doch ich habe mal wieder Glück, da ich durch die Kita viele neue freundliche Menschen kennengelernt habe. Viele Nationalitäten tummeln sich in unserer Preschool der Kinder. Ganz vorn dabei Japaner*innen, Amerikaner*innen, Australier*innen und viele andere. Meine große Tochter ist mit einem Mädchen aus Thailand befreundet und hat natürlich auch japanische Freunde, Jungs und Mädchen. Die kleine Tochter zählt einen kleinen indischen Jungen zu ihren besten Freunden. Mit der Mutter verstehe ich mich sofort und auch sie möchte gerne mal wieder ausgehen. Na dann starten wir kurzerhand einen Frauenabend und als ich sie frage, ob sie auch Lust auf Karaoke hat, ist sie zumindest nicht abgeneigt 😅
Es gibt in unserem Stadtteil, wo auch das Nachtleben brodelt, eine riesige Auswahl. Es ist möglich in große Bars zu gehen oder auch kleine gemütliche Kneipen, die mit seltsamen Übersetzungen schon ein wenig neugierig machen. Manche stoßen mich jedoch bereits vorher ab. Wahrscheinlich ist da nur die schlechte Übersetzung im Internet schuld, doch ich möchte nicht aus Versehen in eine Tanzbar ganz anderer Art geraten. In Absprache suchen wir uns zwei sehr fröhlich beschriebene Ziele aus, beide fußläufig von mir aus zu erreichen (20 min.), direkt am Bahnhof „Ebisu“. Das ist der Stadtteil gleich neben dem unsrigen „Shibuya“.
Ich fühle mich auch im Dunkeln sehr sicher hier und laufe gegen 20 Uhr gut gelaunt zu unserem Treffpunkt. Dort beschließen wir zunächst ein wenig vorzuglühen, außerdem hat Ananya großen Hunger. Es geht direkt vom Bahnhof gegenüber in eine Bierhalle. Das ist eine Art kleines Brauhaus, und wirkt ziemlich deutsch. Es gibt eine große Auswahl an Biersorten und Snacks. Eine Kellnerin trägt sogar Dirndl 😳 in Japan…. Ich kann die Biersorte „Edelpils“ und auch ein Weißbier auf der elektronischen Karte (per Tablet wird bestellt, was in vielen Restaurants üblich ist) finden. Alle hier in Japan gebraut.
Wir erzählen und erzählen, wer hätte das gedacht, dass wir es so sehr genießen mal ganz ohne die eigene Familie unterwegs zu sein? Ich ja! Und auf einmal drängt mich Ananya zu bezahlen. Wir müssen noch weiter…
Manche Bars sind so unscheinbar, dass sie ohne genaue Beschreibung nicht zu finden sind. Entweder mit Absicht, um sich die neugierigen Touristen vom Leibe zu halten oder einfach aus Platz gründen?!
Es war schon ein wenig seltsam und Ananya kam es „Fishy“ vor (da geht etwas nicht mit reinen Dingen vor- es stinkt zum Himmel!), als wir total glücklich die erste kleine Karaoke Bar gefunden hatten, doch am Ende der steilen Treppe nach unten, vor der Tür abgewiesen wurden. Nachdem wir kurz eindringlich von einem jungen Japaner gemustert wurden und dieser daraufhin entschied, nur Mitglieder in die Bar zu lassen. Hä? Also so stand es nicht im Netz beschrieben. Wir schauen ziemlich perplex 😕. Also auf zur zweiten Bar. Diese gerade fand ich sowieso doof, mit diesem Namen und überhaupt! Pah, davon lassen wir uns nicht den Abend versauen 💪🏽
Das nächste Lokal ist leichter zu finden, ein Schild am Haus führt uns sicher ans Ziel. Doch vor dem Hauseingang, macht Ananya eine Entdeckung, die sie vor Entzückung quieken lässt. Und Zack sitze ich in einer „Hundebar“🙄 mhhhh okay nur ein Getränk in dann weiter. (Ich berichte über diese Erfahrung ein anderes Mal, versprochen.)
Eine weitere Stunde später, im siebten Stock öffnet sich der Fahrstuhl und wir werden freudig von einer Horde Japaner*innen angelächelt. Sofort wird zusammengerückt und wir nehmen direkt an der Bar platz. Diese ist noch mit vier großen Tischen, einem großem Fernseher sowie einer Leinwand ausgestattet. Es trällern schon fröhlich japanische Lieder durch den Raum. Ich kann im ersten Moment auch nur japanische Zeichen sehen. Oh man, soll es keine Möglichkeit für mich geben, mein Gesangstalent zu beweisen? Doch Ananya kommt sofort mit ihrer Sitznachbarin ins Gespräch und erklärt mir anschließend, dass wir aus verschiedenen Sprachen auswählen können. Juhu, es gibt die Möglichkeit neben japanischen Liedern, auch chinesische und englisch sprachige zum Besten zu geben. Ich freue mich wahnsinnig 🥳 Erstmal einen Sake bestellen, der japanische Reiswein wird uns empfohlen. Erinnert mich ehr an einen (Kartoffel)Schnaps. Wasser dazu macht das jetzt auch nicht besser. Aber ich finde, viele interessante Interpreten, auf dem überdimensionalen „Game Boy“. Dieser erinnert mich an den Kindercomputer aus meiner Vergangenheit, zum ersten Lesen und Rechnen. Das kann nur gut werden. Ich habe das Ding geliebt und ich kann ja mittlerweile recht prima schreiben 😉
Eh ich es mir versehe hat Ananya schon die Anfrage zum Singen eingegeben. 😱
Aus gegebenen Anlass wünsche ich mir „I’m still standing!“ von Elton John. Zwei japanische Schnulzen Lieder später, blinkt auf dem Bildschirm im Fernsehen mein Lied auf. Mikrofone her und ich singe ziemlich mutig und weniger textsicher, vor ungefähr 20 Japaner*innen und Ananya. Klingt sicherlich lustig, denn die Meute ist begeistert und singt sogar mit. Mit tosenden Applaus begleitet, beende ich meinen Auftritt und lege ziemlich verlegen das Mikrofon weg. Ich werde gefeiert wie ein Star. Das hätte ich nicht erwartet. Was für ein Erfolg 😅
Wenn mal kein Gast Lust hat zum Mikrofon zu greifen, singen die beiden jungen talentierten Barkeeper. Wir suchen noch viele weitere Songs aus und singen zusammen zum Abschluss „Last Christmas“ von Wham. Das kennen auch alle Besucher*innen. Niemanden stört es, dass noch nicht Weihnachten ist und deshalb wird wieder kräftig mitgesungen. Es scheint mir, gleich zwei wichtige Aspekte der japanischen beliebten Songs, spielen in diesem Lied eine große Rolle; Schnee und Herzschmerz. Denn wir verstehen zwar die meisten Texte an diesem lustigen Abend nicht, doch dass es den Sänger*innen richtig schlecht geht, das sehen und hören wir deutlich. Herzschmerz und große Gefühle… das erkenne ich ohne Probleme 🥴 Als wir am frühen Morgen gehen wollen, müssen wir mehrfach versprechen wieder zu kommen. Auf jeden Fall 😬
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