11. Ahhhhh ich bin echt sauer! Oder Schwimmbadbesuch in Tokio
Ich möchte wirklich nicht ungerecht sein und deshalb habe ich mich auch erst nach einem leckeren selbstgemachten Iced Coffee und einer halben Schokoladen-Sahnetorte an den Laptop gesetzt... Besänftigt durch dieses kulinarische Glück, kann ich nun ein wenig reflektierter folgendes zu Protokoll geben:
Ich mag Schwimmen und wenn hier schon keiner in den Seen schwimmt und es im Meer verkompliziert ist, dann wird es zumindest in einem Schwimmbad möglich sein?! Ja, das ist möglich, nur nicht ganz so einfach, wie ich es aus Deutschland gewohnt bin. Um mich vorweg zu informieren, bin ich bereits in der letzten Woche zum Schwimmbad marschiert, 1 km in großer Hitze. Es wurde mir sogar eine englisch sprechende Japanerin herangerufen, die mir alles gut erklären konnte. So kompliziert, wie im Netz dargestellt (dort ist noch das verschärfte Corona-Reglement mit Voranmeldung beschrieben - nur auf Japanisch versteht sich), ist es zum Glück nicht mehr. Ich kann einfach herkommen, zwischen 7 und 21 Uhr, mir eine Badekappe kaufen und mein Ticket im Automaten neben der Rezeptionistin ziehen, welches mich nur 400 Yen (ca. 3€) für 2 Stunden kosten soll. Klingt toll. Da ich bereits zu Hause gelesen hatte, dass Tattoos jeglicher Form und Größe verboten sind (auch heute bringen die Japaner*innen mit Tätowierungen die Maffia in Verbindung, die diese Form der Hautverschönerung als ihr Erkennungsmerkmal gebrauchte), bringt mich dies noch auf den Gedanken nachzufragen, ob ich dann bedeckt durch einen Badeanzug schwimmen darf. „Nein“ ist die Antwort, das Tattoo könnte man mir jedoch abkleben oder aber ich trage etwas darüber. Also werde ich ein schwarzes Shirt über meine wirklich schöne Bademode tragen...
Heute war es endlich so weit, ich machte mich auf zum Schwimmbad. Gut gelaunt - noch. Heute ist leider niemand vor Ort mit guten Englischkenntnissen. Mir wird jedoch ein laminiertes Schild vor die Nase gehalten, was auf Englisch die wichtigsten Regeln zusammenfasst UND es ist ein großes Schild A3 - mit kleiner Schrift. Es gibt eine Menge, was ich noch nicht erfahren hatte... Die Schuhe zieht man, wie in Deutschland, gleich zu Beginn am Eingang zu den Umkleiden aus, jedoch werden danach keine Badeschuhe mehr angezogen (die hatte ich eh vergessen). Die Straßenschuhe kommen in den Spind, in eine extra dafür vorgesehene, beschriftete Box. Es ist nicht erlaubt Telefone, Essen, Trinken, Schmuck... mit in den Poolbereich zu nehmen. Nach dem Duschen schnappe ich mir mein Handtuch und möchte es mit zum Becken nehmen, doch kurzer Hand werde ich von Wasserfontänen, die aus der Wänden, von oben und von allen Seiten kommen, überrascht und abgeduscht - eine letzte Säuberung. Dabei stand auf dem Schild, dass man auf jeden Fall sicher gehen soll, wirklich sauber zu sein, bevor man das Becken abgeduscht betritt (niemand entkommt dem Reinigungsfanatismus der Japaner*innen). Ich renne schnell zurück, mit dem nicht mehr trockenen Handtuch. Und ich trage eine Brille, die jetzt auch nass ist... ärgerlich. Aber es geht noch weiter.
Ich laufe zielsicher zum Schwimmbecken, als ich bereits zwei Stufen tief im Wasser bin, gibt mir ein freundlicher Bademeister aus dem Wasser zu verstehen, dass ich jetzt nicht schwimmen darf. Erst dann fällt mir auf, dass nur er im Wasser ist und die anderen Badegäste brav vor dem Pool stehen oder sitzen. Die Stehenden machen sich warm, sie dehnen sich aufwendig. Da wird mir klar, dass das hier nicht der Erholung dienen soll, sondern der Ertüchtigung. Ich setze mich neben freundlich zunickenden Japanerinnen. Als ich aus dem Wasser hinaus zitiert wurde, war mein erster Gedanke, dass hier wahrscheinlich nur im Wechsel Frauen und Männer ins Wasser dürfen (hätte mich auch nicht mehr verwundert), doch dann sehe ich, dass alle warten müssen. Ich habe nun Zeit dem emsigen Tun des Bademeisters zu folgen. Er fischt mit einem kleinen flachen Kescher (groß wie eine Fliegenklatsche) das Wasser ab, Bahn für Bahn und findet tatsächlich immer wieder ein Haar oder einen Krümel und schwimmt damit zum Beckenrand, um diese zu entsorgen. Alle Schilder am Beckenrand werden wieder neu ausgerichtet. Diese stehen an jeder Bahn und geben die Schwimmrichtung an. Dann ist es endlich soweit. Eine japanische Durchsage ertönt, ich verstehe noch nicht so gut japanisch, doch ich ahne, es kann nun geschwommen werden. Doch tatsächlich werde ich kurz vor meinem ersehnten Ziel schon wieder ausgebremst: Ein weiterer Bademeister kommt aufgeregt angelaufen und zeigt mir bestimmt aber freundlich, dass ich meine Brille absetzen muss beim Schwimmen. Meine Sprachkenntnissen reichen nicht aus, um ihm zu sagen, dass ich ohne Brille wirklich erheblich weniger sehe und womöglich irgendwo gegen laufen oder schwimmen werde. Es spielt sowieso keine Rolle, denn auch Brillen sind Accessoires, die abgelegt werden müssen. Oh man, das ist der Moment in dem ich schreien könnte. Puh ... er führt mich zu einem kleinen offenen Regal, indem ich meine Brille ablegen soll (wenn ich nur jemals wieder heil ankomme, an dem Regal). Ich muss eine Lanze für die Freundlichkeit, die mir immer wieder entgegengebracht wird, brechen, denn im selben Moment meiner größten Verzweiflung, kommt eine Japanerin von hinten angelaufen und gibt mir eine Schwimmbrille. Damit kann ich zwar auch nicht besser sehen, aber ich sehe zumindest noch sportlicher aus. Die Geste zählt! Ich setze sie nicht mehr ab, auch wenn es für mich ungewohnt unangenehm ist.
UND DANN SCHWIMME ICH! Juhu! Was echt witzig dabei ist; ich kann die Bademeister (3 an der Zahl) nicht mehr so wirklich erkennen, da ich in der Mitte des Beckens meine Bahnen ziehe. Wenn ich noch etwas falsch mache, müssen sie mich schon sehr laut und sehr bestimmend mit ihren gelben Kegeln, die als Lautsprecher dienen, anbrüllen. Ich frage mich anschließend schon ab und zu, ob ich überhaupt "richtig" schwimme sowie ob rückwärts schwimmen erlaubt ist, weil ich jemanden dabei berühren könnte unter Wasser. Aber das machen andere auch. Fast niemand kommt auf die Idee nur so zum Quatschen hier her zu kommen und in zweier oder dreier Gruppen schön langsam nebeneinander herzuschwimmen, um zu erzählen. (Sowas ist in Schwimmbädern im fernen Deutschland, die ich sonst besuche, sehr verbreitet und nervt manchmal schon beim Schwimmen, ich gebe es zu.) Doch hingegen hier in Japan, hätte ich zu Hause mit unseren Haustieren, den Glockenkäfern, mehr Konversation betreiben können...
Nach 45 Minuten bin ich mit mir zufrieden, stapfe zurück zu meiner Brille und stelle mich schon auf die kalte Dusche vor dem Eingang der Frauenumkleide ein, doch nun darf meine Brille trocken bleiben - keine Wasserfontänen beim Rückweg - wie nett. Überall, vor den Toiletten und vor dem Umkleidebereich, stehen rosa Sandalen rum, die man ausleihen kann. Ich bleibe barfuß. Es ist alles wahnsinnig sauber, hygienisch einwandfrei. Hier findet kein Keim ein neues zu Hause. Das ist mal klar. Die Duschen sind von Trennwänden umgeben, sodass auch hier die Privatsphäre gewährt wird. So wie durch die üppigen Badesachen; Männer tragen eine lange enge Badehose und Frauen teilweise auch noch lange Badeshirts und halblange Hosen über ihren Badeanzug. Da falle ich gar nicht auf, mit meinem Shirt über den Anzug.
Am Ausgang gebe ich meinen Eintrittszettel wieder ab und die überaus freundliche Bademeisterin zeigt mir mit den Händen, dass ich alles richtig gemacht habe. Das freut mich, nur ich weiß nicht, ob ich so schnell noch mal wieder komme. Ist schon ein wenig japanisch, das Schwimmen. Aber ich war im Wasser 😊 und es gibt sie überall, die hilfsbereiten freundlichen Japaner*innen. Das lässt mich meine Sehnsucht nach dem unkomplizierten Schwimmen in Deutschland schon fast wieder vergessen... Danke dafür ♥️
OMG
AntwortenLöschen